Das
Innere des Supermarkts empfängt mich kalt und abstoßend. Es ist
genauso leer wie auf dem Parkplatz. Bock und Richter sind im Begriff,
einen Einkaufswagen in ihren vorläufigen Besitz übergehen zu
lassen, während ich mein Erstaunen darüber unterdrücke, dass sich
keine Angestellten an den Kassen befinden. Das Unterdrücken
scheitert.
Es
befinden sich keine Angestellten an den Kassen, stelle ich nüchtern
fest.
Bock
sieht mich entgeistert an.
Natürlich
nicht, sagt er und steuert mit dem Einkaufswagen auf die
Alkoholika-Abteilung zu, die Angestellten befinden sich IN den
Kassen.
Zur
Sicherheit, fügt Richter hinzu. Kennen Sie übrigens das neue Album
der neuen Band von dem neuen Label? Es ist ein neuer Sound, der so
noch nie dagewesen ist.
Wir
müssen damit aufhören, sage ich, alles, was uns halbwegs seltsam
erscheint mit bis zur Kritiklosigkeit verzückter Miene abzufeiern.
Ganz
recht, ganz recht, stimmt mir Bock zu, Abfeierung tut man nur mit
Bedacht und Vorsicht. Man sollte nicht allem Neuen trauen. Oft ist es
schon nächste Woche peinlich, das einmal gut gefunden zu haben.
Papperlapp,
sagt Richter.
PapperLApapp,
sage ich.
Was
sagte ich denn!?, fragt R. Er trägt ein hohes Maß Zorn in seiner
Stimme und fuchtelt mit den langen, dünnen Armen vor meinem Gesicht
herum. Ich möchte feststellen, dass die Erniedrigung einer Musik
(und das unbekannterweise) dem Betragen nachkommt, welches auch
Politiker an den Tag legen, deren Haltung uns allen Dreien
widerspricht.
Welche
Art von Politikern?, fragt Bock. Präzisieren sie ihre Wut gegen uns!
Untermauern sie Vergleichspersonen mit aussagekräftigen Adjektiven.
Der
perfekte Roman, mische ich mich ein, ist der, in welchem jedes
Substantiv durch ein davorgestelltes Adjektiv verschärft wird. Die
Sprache wird auf diese Art so scharf wie eine frisch geschliffene
Messerklinge. Der geneigte Leser sieht jedes beschriebene Bild
plastisch und endgültig vor sich. Nicht länger kommt es zu
Missverständnissen zwischen Intention und Vorstellung.
Das
ist ein anzuzweifelnder Standpunkt, sagt Bock.
Krakeelerisch,
sagt Richter. Das Adjektiv, was sie suchen ist krakeelerisch.
Ein
krakeelerischer Standpunkt?, frage ich.
Das
ist er in der Tat, sagt Bock und nickt Richter zu. Danke für das
linguale Auf-die-Beine-helfen.
Sie
missverstehen, sagt Richter, das von mir genannte Adjektiv bezog sich
auf die Politiker, auf keinen Fall aber auf den Standpunkt, den ich
übrigens teile. Ein Roman, angefüllt bis zum Rand mit schmückenden
Wie-Wörtern; was wäre das für eine Pracht, zu lesen!
Meinen
die Herren denn nicht, sagt Bock, dass sich auf die Dauer eine Art
Übersättigung bei den Lesenden einstellen könnte? Und noch
frappierender: Sobald der Leser die Technik des Autors durchschaut
hat, wird er von seiner Erkenntnis ernüchtert das Buch beiseite
legen und womöglich nie wieder aufschlagen.
Dem
wirken wir entgegen, indem wir großzügig Kleister auf dem Umschlag
verstreichen. Der Leser ist so nicht mehr in der Lage, das Buch
beiseite zu legen.
Allerdings,
gibt Bock zu Bedenken, wäre er dann auch nicht mehr in der Lage ein
weiteres Buch aus ihrer Feder zu kaufen. Ihm sind ja sozusagen die
Hände gebunden.
Auch
hierfür haben wir eine Lösung parat, sage ich meiner sicher und
schmunzelnd, wir bieten das Buch zu einem derartig hohen Preis feil,
dass es nicht mehr nötig sein wird ein zweites zu schreiben.
Das
ist in der Tat ein guter Plan, sagt Bock. An was für einen Preis
haben Sie gedacht?
Ein
paar Riesen pro Exemplar müssten es schon sein, sage ich.
Man
muss ja auch den Kleister bezahlen, erklärt Richter.
Lohnend,
sagt Bock, das ist wirklich ein lohnendes Geschäft. Bei Gott, warum
bin nicht ich darauf gekommen?
Wir
sind da, gebe ich bekannt, denn wir sind vor einem Regal zum
Stillstand gekommen. Ich stehe ein wenig weiter hinten, während Bock
und Richter beinahe mit ihren Fußspitzen an die Flaschen stoßen,
die im untersten Fach stehen. Sie stehen so dicht beieinander, dass
ihre Wangen sich berühren.
Oh,
ganz recht, sagt Richter, ich sehe das Alkoholika-Regal direkt vor
meinen Augen. Auch spüre ich das Zugegensein von Schnapsflaschen an
meinen Zehen. Unser Da-Sein sollte hiermit bewiesen sein.
Sagen
wir lieber Angekommen-Sein, sagt Bock, Da-Sein ist ein Begriff, den
man leicht falsch auslegen könnte. Übrigens, fügt er hinzu, wenn
Sie sprechen, kann ich ihre Mundbewegungen an meiner Wange spüren.
Ich
fühle ihren Wangenmuskel auch auf dem meinigen auf und abwippen,
sagt Richter, es ist ein schönes Gefühl. Als würde mir eine Frau,
die ich einst kannte, über mein Gesicht streichen.
Meine
Herren, sage ich, bewegen Sie bitte ihre Wangen auseinander und
lassen Sie uns überlegen, welchen Wein wir erhandeln sollen.
Mit
einem schmatzenden Geräusch – als würde ein völlig nackter
Sträfling sich von seiner Metallpritsche erheben - trennen die
beiden ihre Gesichter voneinander und bewegen sich ein paar Schritte
rückwärts. Wir stehen nun in einer Reihe vor dem Regal.
Der
Wein, sagt Bock, steht in den oberen „Etagen“. Sowohl ich als
auch mein guter Freund R hier sind zu klein um dort hinzulangen. Wir
sind also auf Ihre Hilfe angewiesen, er bedenkt mich mit einem
freundlichen Blick, wenn Sie also so freundlich wären, sich lang zu
machen?
Verzeihen
Sie mir die Bemerkung, sagt Richter und zwinkert linkisch mit den
Augen, aber Sie sind beim Hokus ein ganz schöner Lulatsch.
Ha,
sagt Bock.
Meinen
Vater hätten Sie sehen müssen, sage ich mit frechem Blick und einem
schelmischem Schmunzel auf den Lippen, er war größer als ein
Fahnenmast.
Erreichte
er die Größe eines doppelten Fahnenmastes?, fragt Richter.
Noch
größer war er, antworte ich gewitzt, ich möchte behaupten, er war
gewaltiger als acht Fahnenmasten. Mit Hut beinahe neun.
Na,
den Hut möchte ich sehen, sagt Bock.
oh bunt
AntwortenLöschenKlasse!
AntwortenLöschenDas
AntwortenLöschenwar eine fesselnd skurrile Geschichte, die zwar vollkommen sinnlos im Leeren endet,aber schmuck formuliert wurde.
Danke